Sehr geehrte Frau Henkes,
meine Tochter (7 Jahre alt) geht in die erste Klasse und fühlte sich dort immer sehr wohl. Ihr fällt der Unterrichtsstoff noch sehr leicht, sie kommt überall gut mit und erzählt auch nur positives von der Schule. Sie hat schnell Anschluss gefunden und viele Freunde dort. Auch positives Feedback von der Klassenlehrerin bekommen wir zurück.
Nun ist es seit 6 Wochen so, dass sie ständig über Bauchschmerzen klagt (in der Regel nur morgens) und wir sie weinend zur Schule begleiten. Sie sagt, dass sie mich vermisst und es nicht so lange ohne mich aushält. (Sie geht nur 2 x pro Woche zur Nachmittagsbetreuung) Wir haben die Bauchschmerzen bereits beim Kinderarzt untersuchen lassen, mit Mitschülern und der Lehrkraft gesprochen. Niemand kann sich erklären, was mit unserer Tochter los ist, denn in der Schule ist meistens dann nach kurzer Zeit, wieder alles in Ordnung. Hin und wieder kommt es vor, dass sie in den Pausen weint, weil sie Bauchschmerzen hat oder mich vermisst.
Zu Freundinnen geht sie nicht mehr ohne Tränen. Sie lädt sich Spielbesuch nur noch zu uns ein. Sogar bei Oma und Opa, zu denen sie ein gutes Verhältnis hat, bleibt sie nicht mehr kurz alleine.
Zusätzlich ist es so, dass sie abends auch nicht mehr alleine im Bett bleibt. Die Einschlafbegleitung machen wir schon immer, was auch okay ist. Jedoch dauert es fast eine Stunde länger als üblich, bis sie schläft und sie wacht sofort weinend wieder auf, wenn wir den Raum verlassen. Es ist wie eine Art Verlustangst. Daher bleiben wir abwechselnd bei ihr, was ja auch keine Dauerlösung sein kann.
Veränderungen oder besondere Vorfälle gab es bei uns nicht in der letzten Zeit.
Wir wissen nicht mehr, wie wir damit umgehen sollen und bitten um eine Einschätzung. Am wichtigsten ist uns, dass sie wieder gerne in die Schule geht. Sie jeden Tag weinend zu verabschieden, fällt mir ebenfalls schwer.
von
Nini88
am 02.05.2024, 21:15
Antwort auf:
Kind plötzlich Verlustängste
Guten Tag,
Ihre Tochter hat mit dem Eintritt in die Schule einen weiteren sogenannten Meilenstein der Entwicklung zu bewältigen gehabt. Dies ist ihr gut gelungen. Solche großen Veränderungen verlangen einem Kind trotzdem einiges ab. Die Veränderungen zum Kiga sind nicht unbeträchtlich und es gibt viele neue Anforderungen. Das wird Ihre Tochter verunsichert haben und Sie sucht als Rückhalt wieder verstärkt Ihre Nähe. Sie können das akzeptieren. Sie können ihr morgens vor der Trennung einen symbolischen Gegenstand von sich mitgeben, der die innere Verbindung zwischen Ihnen während des Schulbesuchs symbolisiert. Für Ihre Tochter ist es wichtig, dass Sie ihr deutlich zeigen, dass Sie ihr zutrauen, ihre Angst zu überwinden und den Schultag zu bewältigen. Weisen Sie sie immer wieder darauf hin, was sie schon alles geschafft hat. Bald wird ihr dies wieder gelingen. Bis Ihre Tochter zu neuer Sicherheit gefunden hat, kommen die Freundinnen eben zu ihr und sie bleibt nicht bei den Großeltern. Bei der beschriebenen Einschlafsituation könnte es sich um den unbewussten Versuch handeln, aus dem aktuellen Problem einen Vorteil zu ziehen. Sie können bei Ihrem Ritual des Zubettbringens bleiben. Sie müssen jedoch nicht bei einer Siebenjährigen sitzen, bis sie eingeschlafen ist. Sie können die Tür offenlassen und ein kleines Licht einschalten o.ä.. Vielleicht kann Ihre Tochter auch noch eine Geschichte hören. Sprechen Sie vor allem abends nicht mehr über Problematisches. Dafür ist während des Tages genügend Zeit. Sagen Sie Ihrer Tochter, dass Sie abends Zeit für sich haben wollen. Einschlafprobleme in diesem Alter können aus dem unbewussten Wunsch eines Kindes resultieren, die Eltern als Paar nicht zusammenkommen zu lassen. Kinder müssen erst lernen zu akzeptieren, dass die Eltern außer zum Kind auch noch eine eigene Beziehung haben, an der das Kind nicht beteiligt ist.
Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Ingrid Henkes
von
Ingrid Henkes
am 03.05.2024