Muss ich mir Sorgen machen wegen eines
Schütteltraumas?

Erkältung

© Adobe Stock, Shopping King Louie

Schütteltrauma - ein häufiges Thema im Forum und prinzipiell ist es sehr gut, dass es im Kopf der Eltern so präsent ist.

Aufklärung ist wichtig

Das zeigt, dass wir Kinderärzte oftmals eine gute Aufklärung geleistet haben. Allerdings sollte diese Aufklärung nicht dazu führen, dass Eltern Sorge vor alltäglichen Situationen haben! Außerdem sieht man bei Befragungen immer wieder, dass Aufklärung auch von Großeltern, Babysittern und anderen Betreuern des Babys weiterhin wichtig ist.

Vor kleinen Stürzen und Unfällen ist niemand gefeit

Ich bin selbst Mutter und auch meine kleine Tochter tobt teils wild und ist immer wieder schneller, als man schauen kann, und das bereits seit dem Säuglingsalter. Vor kleinen Stürzen und Unfällen z.B. beim Spielen ist, trotz bester Beobachtung, fast niemand gefeit. Zum Glück passiert dabei meist nichts, vor allem nichts Schwerwiegendes.

Worum handelt es sich bei einem Schütteltrauma eigentlich?

Das Schütteltrauma, oder misshandlungsbedingtes Schädel-Hirn-Trauma, wie es auch heißt, ist zum Glück insgesamt selten: schätzungsweise 14 von 100.000 Kindern unter einem Jahr, bzw. etwa 100 bis 200 Säuglinge und Kleinkinder sind in Deutschland jährlich davon betroffen.

Im anderen Namen steckt ein ganz wichtiger Zusatz: misshandlungsbedingt. Es handelt sich also um eine Hirnverletzung, die eigentlich nur durch schwere Gewalt entstehen kann und nicht durch Toben, Turnen, wildes Spielen, ruckartige Bewegungen beim Hochnehmen oder auch mal eine etwas holprige Fahrt mit dem Kinderwagen.

Wie und wieso entstehen Schäden?

Beim Schütteln schleudert der Kopf des Säuglings unkontrolliert hin und her. Vor allem der Säugling kann aufgrund seiner schwachen Nackenmuskulatur den Kopf nicht alleine halten. Durch das gewaltsame Schütteln werden Schädel und Gehirn hin- und hergeworfen. Dabei können Blutgefäße und Nervenbahnen reißen. Dies kann zu lebenslangen Behinderungen und bis zum Tod führen.

Allerdings sieht man auch hierbei wieder den großen Unterschied: sobald Kinder eine stabile Kopf- und Rumpfhaltung haben, sich viel selbstständig bewegen, Spaß an Spielen wie „Hoppe Reiter“ haben, ist das Ganze deutlich unwahrscheinlicher, wenn auch Kleinkinder durch heftiges Schütteln schwer verletzt werden können.

Als Hauptauslöser für das Schütteln, häufig durch eine Bezugsperson, gilt anhaltendes Schreien des Babys, vor allem in den ersten Lebenswochen und Monaten. Der Hauptzeitraum für ein Schütteltrauma liegt zwischen zwei und fünf Monaten.

Wieso und wie viel schreien Babys?

Früher ist man davon ausgegangen, dass das Schreien in den ersten Lebensmonaten mit Koliken (»Dreimonatskoliken«) erklärbar sei. Das ist nach heutigem Kenntnisstand nicht mehr zutreffend.

Man geht vielmehr davon aus, dass das Schreien mit verschiedenen Reifungsprozessen zusammenhängt und damit, dass der Säugling lernen muss, verschiedene Bedürfnisse, wie Hunger und Müdigkeit, und Reize zu regulieren. Lassen Sie sich folgende Zahlen auf der Zunge zergehen: Die tägliche Schreidauer bei Babys beträgt von der 2. bis zur 6. Lebenswoche im Durchschnitt über zwei Stunden! Nach der 12. Lebenswoche sinkt diese durchschnittlich auf unter eine Stunde.

Viele Bedürfnisse, die durch das Schreien ausgedrückt werden, können wir Eltern erkennen und beheben, zum Beispiel durch Füttern, Windelwechseln oder Einschlafbegleitung. In bis zu 10 Prozent der Schreianfälle ist das Baby aber trotz aller Versuche untro?stlich. Wir als Eltern machen deswegen aber nichts falsch!

Was ist also das Wichtigste?

Das Wichtigste: Babys niemals im Affekt schütteln! Stattdessen habe ich diese Tipps für Sie:

  1. In der akuten Situation: Kind sicher ablegen, zum Beispiel auf den Rücken in sein Bettchen, Raum verlassen und tief durchatmen, bis man selbst wieder zur Ruhe gekommen ist, zwischendurch immer wieder kurz nach dem Kind schauen.
  2. Grundsätzlich: Freunde und Verwandte um Hilfe bitten oder sich an eine Hilfestelle, zum Beispiel Schreiambulanz oder „Bitte nicht schütteln!“, wenden.
  3. Die eigene Erwartungshaltung überdenken: Elternsein ist nicht leicht, vor allem, wenn es sich um das erste Kind handelt und man noch unerfahren ist. Wir alle haben Erwartungen an uns selbst in der Elternrolle, Vorstellungen von unserem Leben. In Situationen, in denen das Kind viel schreit, man sich hilflos und überfordert fühlt, hat man oftmals das Gefühl, diesen Erwartungen und Ansprüchen nicht gerecht zu werden und ist aber trotzdem häufig der Meinung, es alleine schaffen zu müssen. Wir sind aber vor allem auch dann gute Eltern, wenn wir unsere Grenzen kennen, rechtzeitig Stopp sagen und uns Hilfe suchen.

Lassen Sie sich nicht im Affekt von Gefühlen übermannen!

Ich möchte noch einmal ganz klar betonen: Ein Kind, das für eine kurze Zeit alleine an einem sicheren Ort abgelegt wird, wird keinen Schaden erleiden. Ein Kind, das im Affekt aufgrund von Gefühlen der Wut, der Hilflosigkeit, der vermeintlichen eigenen Unzulänglichkeit geschüttelt wird, aber schon - im schlimmsten Fall mit lebenslänglichen oder sogar tödlichen Folgen.

Aufklärung und Sensibilisierung für dieses ernste Thema sind sehr wichtig! Es handelt sich um vollkommen vermeidbare Verletzungen und (Langzeit-)Schäden.

Aber: Genauso wichtig ist es, das Leben mit Baby und Kind zu genießen und es mit Freude beim Aufwachsen, Spielen und Erlernen von neuen Fähigkeiten zu beobachten und zu begleiten (auch wenn man ständig hinterherlaufen muss) - und das ohne Angst vor normalen Alltagssituationen und ohne, in allem eine potentielle Bedrohung zu sehen.

Auch mein Kollege, Kinderarzt Dr. Busse, hat Informationen für Sie zum Thema Schütteltrauma. Er warnt ebenfalls:
Gefahr Schütteltrauma - bitte Babys niemals schütteln!

Wenn Sie noch Fragen zu diesem Thema haben, können Sie uns diese gern im Expertenforum Kindergesundheit stellen.

Zuletzt überarbeitet: April 2024

Infektionskrankheiten

Alles über Symptome, Ansteckung,
Behandlung der häufigsten
Infektionen und Kinderkrankheiten.

Mobile Ansicht

Impressum Über uns Neutralitätsversprechen Mediadaten Nutzungsbedingungen Datenschutz Forenarchiv

© Copyright 1998-2024 by USMedia.   Alle Rechte vorbehalten.